Marlene Bürgi:
(Plattform21)
Dass gerade in der Unscheinbarkeit gängiger Alltagsobjekte eine grosse Wirkkraft liegt, stellen die skulpturalen Werke und Rauminterventionen von Sina Schöpf eindringlich vor Augen. Material und Funktionalität werden reduziert, transformiert und vom jeweiligen Ausgangspunkt entkoppelt, sodass sich Gegenstände wie Schlafsäcke oder Ohrstöpsel im Kontext des Ausstellungsraumes ihrem praktischen Nutzen meist vollständig entledigen. Die Künstlerin setzt sich dazu intensiv mit den materiellen Eigenschaften der Objekte, doch nicht zuletzt auch mit den Möglichkeiten ihrer Verformbarkeit und Verfremdung auseinander. Ändert sich das Material, die Haptik, Substanz und Optik, so ändern sich gleichermassen Aussage und Bedeutung. Mithin entsteht eine spürbare und für die Werke äusserst wichtige Beziehung zwischen dem gewählten Material und der Künstlerin selbst. Einer flüchtigen Spur gleich, geben die Werke ihren abwesenden Ursprung zu erkennen und verweisen auf ihre abstrahierte Gegenwärtigkeit.
Diese Ambivalenz trägt auch Sina Schöpfs neue Arbeit Zeltstangen mit sich. Aufgestellt oder gebündelt ist ihre Referenzebene direkt erkennbar: Anstatt aus biegsamen Fiberglas, einem glasfaserverstärktem Kunststoff, bestehen die Stangen in der Ausstellung aus Borosilikatglas, einer herkömmlichen, doch extrem hitzebeständigen Glasart. Aufbauend auf ihrer letztjährigen Diplomarbeit Zelt, einem begehbaren Körper aus hauchdünnen Stoffflächen, hinterfragt die Künstlerin hier die massgeblichen Voraussetzungen der räumlichen Zeltstruktur. Als Fundament dienend, sind die Stangen die erste und letzte Instanz, die dem Zelt dessen entscheidende Form und Funktion gibt. Losgelöst von diesen Eigenschaften, verkörpern die die Glasstangen einen Moment der Mehrdeutigkeit – ein Dazwischen, ein «Nicht-Mehr» oder «Noch-Nicht».
2021